Zeitschrift PULSAR Nr. 4 Mai 2016

Pulsar-Cover

•  Heilkunde: Die Familie – Ein Auslaufmodell?
•  Natürliche Autorität
•  Polyamorie als Liebeskonzept
•  Ich liebe dich! – Aber komm mir nicht zu nahe!
•  Der Mensch – ein Wesen zwischen sich und anderen
•  Dr. Ruediger Dahlke – Der eigenen Vision folgen
•  Wohltuender Schlaf
•  Parapsychologin Ulla Jasmin
•  Schlaue Köpfe trinken Wasser
•  Schule in Aufruhr
•  Mein Kontakt mit dem Jenseits
•  Naturheilkunde: Barfußlaufen als Naturarznei

•  Gewachsene Sessel
•  23. Pulsar-Kongress – Vorschau
•  Buchbesprechungen & CDs
•  uvm.

 

Dr. Marlis Bach

Polyamorie als Liebeskonzept

– Interview mit Autor und Seminarleiter Bernhard Reicher

In den letzten Jahren gibt es mehr und mehr Menschen, die eine andere Idealvorstellung als die Lebensform der klassischen Zweierbeziehung haben. Diese Menschen stellen in ihren Beziehungen das konventionelle Verständnis von Bindung und Treue in Frage. Sie bekennen sich zu einer neuen Form der Ehrlichkeit und Freiheit – und gestehen es sich und ihren Partnern zu, Liebesbeziehung nicht nur auf einen Menschen zu begrenzen. Eine der bekanntesten Formen der ethischen Non-Monogamie ist Polyamorie. Dieses Wort ist ein Neologismus, der seit Anfang der 1990er gebräuchlich ist und aus dem Griechischen poly (viel, mehrere) und dem Lateinischen amor (Liebe) gebildet wird; Polyamorie beschreibt die Praxis, romantische und sexuelle Beziehungen zu mehreren Menschen zur selben Zeit führen zu können – im vollen Wissen und der Zustimmung aller Beteiligten.

Pulsar: Während deines Vortrages am 22. Pulsar-Kongress hat sich mir die Frage gestellt, ob diese Lebensform wirklich etwas Neues ist oder ob es das klassische Fremdgehen nur für alle Beteiligten offenlegt?

Bernhard Reicher: Das kommt sicher darauf an, aus welcher Perspektive man das betrachtet. Die Einehe und das Gelöbnis zu lebenslanger Treue zwischen Mann und Frau gibt es menschheitsgeschichtlich gesehen erst seit sehr kurzer Zeit; sie wurzeln vor allem in wirtschaftlicher Notwendigkeit und den jüdisch-christlichen Geboten. In matrilinear orientierten Kulturen dürfte das, was wir heute unter Polyamorie verstehen, durchaus üblich gewesen sein.

Doch für jemanden, der Zweierbeziehungen als die einzig erstrebenswerte oder mögliche Form des Zusammenlebens ansieht, ist es sicher etwas Neues. Denn Polyamorie stellt ja genau diese Vorstellung in Frage … und damit auch den identitätsstiftenden Faktor, den der Beziehungsstatus in unserer Gesellschaft erfüllt. Insofern kann Polyamorie für die traditionelle Sichtweise sogar eine Bedrohung darstellen. Es geht dabei ja nicht nur darum, daß Fremdgehen sozusagen erlaubt wird, sondern um weitaus mehr: Üblicherweise werden in polyamoren Beziehungs-Netzwerken keine oberflächlichen Seitensprünge angestrebt, sondern tiefgehende und erfüllende Partnerschaften – was nicht heißt, dass jeder, der polyamor empfindet, deswegen automatisch mehrere Beziehungen führen muss. Es geht um die Möglichkeit, seiner Liebe zu mehreren Menschen aufrichtig Ausdruck verleihen zu können.

Polyamorie geht in meinem Verständnis aber auch noch weit über ein reines Beziehungsmodell hinaus. Ich verstehe darunter eine grundlegende Weltanschauung, in der es um die prinzipielle Bejahung der Vielfalt geht, das Loslösen von Hierarchien und Dogmen und das konkrete Annehmen der Fülle des Lebens. Denn ein wesentlicher Unterschied zu herkömmlichen Sichtweisen besteht in der Polyamorie unter anderem darin, Liebe nicht als Mangelware zu sehen, die errungen und verteidigt werden muss und verloren werden kann, sondern als etwas zu erleben, das im Überfluss vorhanden ist. Es ist unbeschreiblich schön, mitzuerleben, wie sich plötzlich das ganze Wesen eines Menschen ändert, wenn sich diese Erkenntnis sich in ihm ausbreitet.

Pulsar: Ist die Polyamorie ein erfolgversprechendes Zukunftsmodell?

Für mich persönlich auf alle Fälle. Ich sehe Polyamorie aber keinesfalls pauschal als einen besseren Weg; es ist eine von mehreren Alternativen zum herkömmlichen monogamen Modell – und zwar eine Alternative, die, wie sich in den letzten Jahren beobachten lässt, mehr und mehr Menschen zu entsprechen scheint. Dass sich mit einem neuen Paradigma auch neue Herausforderungen auftun, liegt in der Natur der Sache: Durch eine polyamore Lebensweise verschwinden die Probleme nicht, es tauchen mitunter ganz neue auf. Wie erfolgversprechend das allgemein sein wird, liegt letztlich also sicher wie immer an den Menschen, die sich darauf einlassen und es mitgestalten.

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Den gesamten Artikel finden Sie in der aktuellen PULSAR-Ausgabe.

   
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